Fragen an Fr. Dr. Pinkl

Fr. Dr. Pinkl, Sie sind mir als Expertin für Kommunikation, Konflikte und Mediation empfohlen worden. Wie sind sie zu diesem Thema gekommen und was reizt Sie daran.
Ein Konfliktfreies Leben gibt es nicht – das habe ich schon früh erkannt. Wenn Menschen zusammenleben, haben sie unterschiedliche Interessen und Bedürfnisse, die müssen im Zusammenleben ausgehandelt werden. Durch meine Ausbildung in Systemischer Familientherapie, wahrscheinlich schon im Studium der Sozialen Arbeit wurde mir das theoretisch deutlicher. In meiner Familie habe ich gelernt, dass man über alles reden kann und wohl auch muss, damit Lösungen / Regelungen besprochen werden können. Eine ganz wichtige Erfahrung war für mich die theoretische Auseinandersetzung mit Konfliktkompetenz zu meiner Doktorarbeit und nachher nochmals in der Mediations-Ausbildung; die Verknüpfung von Theorien, Handeln und eigenem Konfliktdenken war sehr hilfreich und spannend.


Unser Thema ist natürlich Konflikte am Arbeitsplatz. Werden Sie oft von Firmen zur Konfliktprävention oder Konfliktintervention eingeschaltet?
Im eigenen Betrieb ja. Bei anderen Betrieben gibt es schon Anfragen, aber da halte ich mich sehr zurück. Mein Auftrag hier an der Stelle ist Mediation für Paare und Familien, auch in Trennungssituationen und Ehe-, Familien und Lebensberatung je mit einer halben Stelle. Da bin ich bereits gut ausgelastet. Wenn ich angefragt werde, mache ich nebenberuflich manchmal etwas für die Caritas. Ansonsten gebe ich die Anfragen an andere Stellen, bzw. Personen weiter, die zu Konflikten arbeiten. Arbeitskonflikte in Firmen sind meist sehr groß – und da wäre sehr viel Zeit erforderlich, die ich nicht habe.


Gibt es auch Behörden, die sich an Sie wenden?
Auch das hat abgenommen, weil ich „zu oft“ abgelehnt habe. Es kamen viele Anfragen von Schulen, wobei ich da nicht sicher war, ob der Veränderungswille wirklich da war, oder Konfliktberatung (die kostenlos sein sollte – und deshalb an kirchliche Mitarbeiter gerichtet war) nicht eher als Feigenblatt gesehen wurde.
Ich glaube, wenn man an Konflikten arbeitet, müssen sich alle Beteiligten klar sein, dass sie sich Veränderungen stellen müssen – das ist oft nicht der Fall; gerade Behörden neigen ja auch zum Beharren beim Bewärten; auch wenn es schon lange nicht mehr funktioniert.


Gerade das Thema Mediation bzw. Gruppenmediation ist im Berufsumfeld ein wirksames Mittel um Konflikte zu mildern. Welche Erfahrung haben Sie mit dem Thema Mediation gemacht und wie ist die Vorgehensweise bei einer Mediation, bzw. was ist das Ziel einer Mediation.
Das Ziel von Mediation ist, dass die Konfliktparteien sich um Regelungen für ihre Konflikte kümmern. Mediation stellt dazu den Rahmen her und moderiert „von außen kommend“ die Sichtweisen und Bedürfnisse. Da gibt es immer wieder Missverständnisse: Mediatoren sollen ändern, ohne dass jemand davon betroffen wäre; Mediation soll quasi als Richter entscheiden, wer Recht hat; etc. Das alles ist Mediation eben nicht.
Wenn die Parteien bereit sind, sich darauf einzulassen und wirklich nach Regelungen zu suchen – und nicht nur „Recht zu bekommen“, dann gibt es ganz tolle Ergebnisse.


Konflikte schwelen meist lange, bevor sie richtig ausbrechen. Oftmals sind die Problemstellen lange bekannt. Für die personalverantwortlichen Stellen ist es trotzdem schwierig zu beurteilen, wann Hilfe angeboten werden muss. Wann sollte man als Arbeitgeber im Konfliktfall eingreifen?
Möglichst früh! Arbeitgeber können anregen, dass Konflikte früh angesprochen werden und von den Beteiligten selbst geregelt werden. Bei einigen Fällen kann und sollte man externe Moderation, z.B. Mediation anbieten.
Wenn man bedenkt, wieviel es Betriebe kostet, wenn Konflikte nicht gelöst werden, könnte man ausrechnen, wieviel günstiger eine konstruktive Arbeit an Konflikten ist.
Konflikte gibt es einfach: Was es uns schwer macht, gut mit Konflikten umzugehen, ist die Tabuisierung, dass es sie nicht geben sollte. Und natürlich die schlechten Erfahrungen im Umgang mit Konflikten. Nicht Konflikte sind schlecht, sondern manche Wege, wie wir versuchen Konflikte zu verdrängen, Macht auszuüben, oder unsere eigene Position zu stärken. Wenn wir denken könnten, dass Konflikte geregelt werden können, so dass die Beteiligten alle gewinnen dürfen, hätten wir schon viel gewonnen.


Wie ist üblicherweise Ihr Vorgehen bei Konflikten am Arbeitsplatz?
Zuerst mal genau analysieren, was der Konflikt ist, um was es genau geht, und ob die, die den Konflikt aushandeln, auch die Richtigen sind.
Manche Konflikte entstehen woanders, dort sollten sie auch geregelt werden und nicht nach oben oder unten durchgereicht werden. Und dann ist es wichtig, dass die zusammenkommen, denen „der Konflikt gehört“ und nicht alle die, die eine Meinung dazu haben.
Es hilft, wenn die Beteiligten eine Moderation haben, die ihnen hilft, bei den Themen zu bleiben und das Gespräch zu strukturieren. Mediation hat dazu Phasenmodelle entwickelt, die sehr hilfreich sind.


Führungskräftesicht:
Was kann eine Führungskraft tun, um Konflikte im Team zu vermeiden?
Selber offen für Konflikte sein; Achtsamkeit und Ehrlichkeit im Team fördern; diejenigen, die Konflikte melden, nicht ausgrenzen, sondern ihnen danken, dass sie dies tun. Und dann dafür sorgen, dass konflikthafte Themen in einem guten Rahmen besprochen, geregelt werden können. Ein offener und guter Umgang mit Konflikten kann alle Beteiligten ermutigen, sich dem Aushandeln unterschiedlicher Bedürfnisse zu stellen und ein besseres Arbeitsklima zu erreichen.
Wenn ich von Bedürfnissen spreche, meine ich nicht, dass Betriebe „Wohlfühl-Oasen“ sein müssen, aber sie müssen anerkennen, dass dort Menschen arbeiten, die mehr sind, als Aufgaben-Erfüller.
Hilfreich könnte auch sein, dass man klare Vereinbarungen trifft, wie mit welchen Konflikten umgegangen werden kann und soll. Konflikte unterdrücken hilft gar nichts.


Mitarbeitersicht:
Haben Sie Tipps für uns Mitarbeiter, wie wir besser mit Konflikten fertig werden können bzw. besser damit umgehen können?
Mutig sein und Verantwortung für sich selber übernehmen, aber auch für ein gutes Gesamt-Miteinander. Manchmal überlassen wir in Betrieben ja die Verantwortung für vieles anderen; die sollen riechen, was wir brauchen.
Ich glaube, dass es hilft, zu sich zu stehen, Konflikte und Schwierigkeiten freundlich und offen anzusprechen und bereit zu sein, an den Lösungen mitzuarbeiten. Aber manchmal verhalten wir uns wie Kinder, die nach Mama oder Papa schreien, wo sie selber tätig werden könnten.
Es hilft, Auftrag und Rahmen der Arbeit zu kennen und anzuerkennen; dann haben wir unsere Rollen im Team klarer und sie werden für andere auch transparent.


Was kann/sollte ich als Mitarbeiter machen, wenn ich von Kollegen tatsächlich gemobbt werde?
Verantwortung für mich übernehmen. Sich mit jemand Außenstehenden kritisch beraten und dann das Thema konstruktiv einbringen. Wenn man sich alleine zu schwach fühlt, Hilfe bei Personalrat /Mitarbeitervertretung suchen. In vielen Betrieben gibt es bereits Regelungen, wie vorzugehen ist.


Was kann/sollte ich als Mitarbeiter machen, wenn der Vorgesetzte das Problem ist, ich also mit dem Vorgesetzten einen Konflikt habe (event. Bossing = Vorgesetztenmobbing)?
Sich solidarisieren, nachfragen, ob es anderen auch so geht. Dann gemeinsam und konstruktiv das Gespräch suchen; auch zusammen mit Personalrat und Mitarbeitervertretung.
Versuchen, aktiv an der Lösung mitzuarbeiten und konstruktiv zu bleiben. Wir sind manchmal zu schnell zu ängstlich. Wenn wir eine saubere Arbeit machen und uns „anständig“ verhalten, kann uns ja eigentlich niemand wirklich "ans Leder". Und dann gemeinsam vorgehen, sich Solidarität suchen.
Es hilft, auch daran zu denken, dass Chefs auch nur Menschen – und nicht zwangsläufig unsere Feinde.


Wie bekommen wir Führungskräfte dazu, einen Konflikt auch anzugehen und nicht nur „auszusitzen“?
Sehr gute Frage!
Wohl am Besten, dass wir sie erleben lassen, dass sich das rentiert; dass wir mit ihnen an Lösungen arbeiten und sie nicht damit allein lassen. Dass wir nicht nur motzen und jammern, sondern bereit sind, unsere Verantwortung zu übernehmen und die Führungskräfte an ihre Verantwortung erinnern.
Wie gehen wir denn selber damit um? Versuchen wir, unsere Konflikte selber zu regeln, oder versuchen wir nicht eher, sie nach oben zu delegieren. Möglicherweise hängt es auch damit zusammen, dass in Führungsebne viele Männer sind – und die neigen ja eher zum Wegsehen von den Problemen im Zwischenmenschlichen Bereich. Wo Frauen vielleicht eher „dramatisieren“, leugnen Männer. Ein gemischtes Leistungsteam könnte sich da ausgleichen.


Was kann ich als MitarbeiterIn machen, wenn die Führungskraft nicht handelt?
Mich selber in die Pflicht nehmen und es immer wieder ansprechen – auch öffentlich bei Betriebsversammlungen und Besprechungen. Sich selber als Teil der Lösungssuche anbieten, sich um gute Lösungen mit kümmern. Der Führungskraft signalisieren, dass sie nicht allein gelassen wird. Und zur Not, wenn das nicht wirkt: An die nächste Ebene gehen. Wenn es keine mehr gibt, versuchen sich damit abzufinden – oder auch zu gehen.


Was hindert uns MitarbeiterInnen daran, Konflikte anzusprechen?
Falsches Autoritätsverständnis, Freund-Feind-Denken
Wenig Routine und Erfahrung, wie Konflikte konstruktiv und gut geregelt werden können – das würde uns ermutigen.
Vielleicht würde auch mehr Zivilcourage helfen. Mut und Zivilcourage beginnen im Alltag, in der Familien, im Betrieb; jeden Tag sich die Frage stellen, was ich dazu beitrage, dass diese Welt besser und gerechter wird – was ich dafür tue; nicht was die anderen gerade alles wieder verkehrt machen. Weniger schimpfen und jammern – mehr selber anpacken und sich trauen.


Was hilft uns MitarbeiterInnen Konflikte anzusprechen?
Siehe oben


Konstruktive Kritik zu formulieren ist nicht immer leicht, ebenso Kritik anzunehmen. Was müssen wir MitarbeiterInnen dabei beachten und was kann uns dabei helfen?
Den anderen als Kollegen/in und Menschen zu sehen. Höflich und freundlich bleiben. Kritik konstruktiv meinen: zum Wachstum des anderen liebevoll anbieten.
Nicht zur Vernichtung oder Abstrafung der anderen.
Die Menschenwürde achten: der/die andere ist ein Mensch mit Gefühlen und Bedürfnissen; aber auch ein Mensch, der für sein Verhalten verantwortlich ist; so wie ich auch.


Allgemein:
Haben Sie Beispiele von Firmen, wo Konfliktmanagement gut geregelt bzw. gut umgesetzt ist? Was macht das gute Konfliktmanagement dieser Firma aus?
Das hängt immer von den Menschen ab. Es gibt in einigen Firmen Broschüren dazu – aber wenn man dann dahinter sieht …..
Aber ja, ich kenne Menschen, die in Teams gut zusammenarbeiten, die gut mit ihren Konflikten umgehen, die fair bleiben und achtsam mit sich und den Kollegen.


Sind in Ihren Augen Konfliktbewältigungskonzepte sinnvoll? Sind Ihnen Konzepte bekannt?
Ja. Da gibt es ganz viele. Aber Konzepte müssen auch gelebt werden und trainiert. Sie brauchen Routine und den klaren Willen fair und gut miteinander umgehen zu wollen.
Konfliktbewältigungskonzepte sind Teil von Firmenkultur.


Was kann der Arbeitgeber zur Konfliktprävention anbieten?
Offenheit. Schulungen zu Thema. Zeit für diese Schulungen und Klarheit, dass es den Willen gibt, mit Konflikten offen und transparent – und konstruktiv lösungs-orient umgehen zu wollen.


Gibt es zum Thema Konfliktmanagement auch Schulungen für Behörden?
Ja – massig. Und auch einige sehr gute.
Ich kann Ihnen einiges empfehlen.
Es gibt an der Uni Passau einen Master-Studiengang: Werteorientiertes Management an der Kath. Fakultät. Vielleicht haben die Lust, mit Euch ein Entwicklungsprojekt zu machen. Hier wäre Prof. Fonk Ansprechpartner, ich könnte da Verbindungen herstellen und wir könnten etwas erarbeiten und überlegen. Würde mich reizen.


Wie laufen diese Schulungen ab und welche Inhalte werden vermittelt?
Wie gesagt, das ist Arbeit an der Gesamt-Kultur im Betrieb.


Gibt es Literatur, die populärwissenschaftlich, also für Laien gut verständlich ist, und die Sie empfehlen könnten?
Kommunikation: Schulz von Thun.

Gibt es Zahlen und Daten zu den psychischen Krankheitsauslöser
Ursächlich genetische Disposition % Ursächlich privater Bereich %Ursächlich Arbeitsstelle %

Sicherlich, aber ich kenne sie leider nicht; weil mir Zahlen im konkreten Umgehen nichts helfen, sondern nur ablenken.

Wäre anonymisierte Status Quo Abfrage im Multiple Choice Verfahren (nur Ankreuzen verschiedener Fragen um vollkommene Anonymität sicherzustellen ) in der Belegschaft hinsichtlich einer psychischen Arbeitsbelastung in unserem Hause sinnvoll? Z.B. Dauerstress- oder Zeitraumstressfrage : fühlt man sich gerade, in den letzten 2 Jahren, in den letzten 5 Jahren oder länger durch die Arbeitsstelle dauerhaft oder immer wieder gestresst. Stressauslöser eigener Meinung nach: Arbeitsumfang, Führungskraft, Team, Einsatz in nicht gewünschter Position, fehlende Anerkennung und Wertschätzung der geleisteten Arbeit oder der eigenen Persönlichkeit durch Chef, durch Team. Dauerhafte Spannungen am Arbeitsplatz gegenüber eigener Person oder Teamkollegen. Gefühl der Ausgrenzung, Ausnutzung, Abwertung der eigenen Arbeit etc.
So ein Instrument muss man sich sehr gut überlegen, dass man wirklich misst, was man messen will – und nicht irgendwelche Zahlen bekommt. Fragen Sie lieber nach Zufriedenheit, und warum die MA bei Euch zufrieden sind, bzw. was ihre Zufriedenheit erhöhen könnte. Dann habt ihr schon Antworten und die MA werden selber in die Pflicht genommen.
Hätte Lust, euch da zu beraten.


Kann aufgrund einer solchen Umfrage die Führungsspitze nachhaltig sensibilisiert werden, haben Sie hierzu Erfahrungswerte?
Wodurch Menschen motiviert werden? Meist durch den Erfolg, oder die Erwartung auf Erfolg.
Wenn wir das so machen, dann könnte es konkret da und dort besser werden; klare Beispiele


Kann aufgrund einer solchen Umfrage ein Umdenken in den Mitarbeitern angeregt werden, gibt es hierzu Erfahrungswerte?
Ja – aber am Besten immer konstruktiv ansetzten. Wenn sie nach Problemen fragen, bekommen sie als Antwort Probleme. Fragen sie auch, was gut läuft und warum – und wie man das ausbauen und erweitern könnte.